Einleitung
„I am a camera with its shutter open, quite passive, recording, not thinking. Recording the man shaving at the window opposite and the woman in the kimono washing her hair. Some day, all this will have to be developed, carefully printed, fixed.“
(Christopher Isherwood, 1930)
I.
Diese Sätze, mit denen Christopher Isherwood sein „Berliner Tagebuch“ beginnt, sind die Konkretisierung der Fotometapher, die Beschreibung bestimmter Wahrnehmungsstrategien, die narrative Möglichkeiten der Textreportage mit dokumentarischen Leistungszuschreibungen der Fotografie verbinden.
Fotografie und Reportage haben sich unabhängig voneinander entwickelt als mögliche Verfahrensweisen zum Zugriff auf komplexe Wirklichkeit. Ende des 19. Jahrhunderts kommt es zur Annäherung, die 20er Jahre sind die Schnittstelle für die beiden Genres. Die These lautet, daß weder die Fotografie zur Reportage führt oder sie bedingt, noch umgekehrt die Reportage die Fotografie. Es werden aber aus den Verfahren der fotografischen Faktendokumentation Forderungen und Arbeitsanweisungen an die Reportage abgeleitet. Breite Akzeptanz und attestierte Leistungsfähigkeit der Fotografie führen zur Fotometapher, die entscheidende Bedeutung für die Reportagediskussion erhält. Im Verlaufe dieser Debatte, die nicht zuletzt von der Abbild- zur Konstruktionstheorie von Wirklichkeit führt und somit Medienrealität problematisiert, verändern sich die Ansprüche an die Reportage und – wenn auch nicht im gleichen Ausmaß – die Einschätzung der Fotografie. Um diese Wechselbeziehungen aufzeigen zu können, ist es notwendig, die spezifischen kulturellen, gesellschaftlichen, geistesgeschichtlichen, medialen etc. Umfeldbedingungen in die Darstellung zu integrieren. …