Thomas Ballhausen: Zwischen Echo-Kammer und Fama-Industrie?

Eine kurze Notiz zu literarischen Schreibungen der Geschichte

Abstract
Mit dem vorliegenden Text werden erste Gedanken zu einem möglichen, noch weiter auszuformulierenden typologischen (Denk-)System literarischer Schreibweisen anhand eines konkreten Beispiels angedeutet bzw. vorstellt: 1926 veröffentlicht der österreichische Schriftsteller Karl Kraus (1874-1936) in seiner Zeitschrift Die Fackel (Erscheinungszeitraum April 1899 bis Februar 1936) ein Gedicht auf den Geburtstag der Ersten Republik. Gibt die Republik in der österreichischen Literatur ihres historischen Bestehens ja oftmals nur Hintergrund, Atmosphäre oder Ambiente eines verhandelten Verlusts alter Ordnungen ab (Pelinka 2017), wird sie hier in eindringlicher wie auch eingängiger Weise adressiert. Die Betonung von Kraus als Lyriker – ein Teil innerhalb seines Schaffens, der m.E. noch weit mehr Aufmerksamkeit verdient als er bisher bekommen hat – ist dabei nicht von unwesentlicher Bedeutung. Auf die Darstellung des von einer Programmatik der Verdichtung bestimmten Text-Fundstücks folgt eine Skizzierung theoretisch-philosophischer Kontexte zu den Wirkungsweisen von Literatur, sowie Bemerkungen über das Verhältnis von Literatur und Geschichte bzw. Historiografie. Abschließend soll, auch zumindest unter partieller Einrechnung von Kraus’ Leitlinie der Sprache als wesentlichstem Maßstab, auf literarische Strategien der Schreibungen eingegangen werden, die sich zwischen den von mir angesetzten, metaphorisch geladenen Spannungspolen entfalten, denen sich auch die vorliegenden Ausführungen in all ihrer Offenheit nicht entziehen können: eben dem Wirken einer reflexiven Echo-Kammer und dem wirkmächtigen Strahlen einer unaufhörlichen arbeitenden Fama-Industrie.