Stummfilm gestern und heute – eine Diskussion editiert von Michael Loebenstein und Martin Reinhart

Einleitung: Das Österreichische Filmmuseum (ÖFM) und das Filmarchiv Austria (FAA) sind die wichtigsten Institutionen, die sich in Österreich der Vorführung, Rekonstruktion und Archivierung von Stummfilmen widmen. Beide Institutionen pflegen sowohl einen eigenen Sammlungsschwerpunkt als auch einen spezifischen Zugang zur Präsentation ihrer Stummfilmbestände.

Zusätzlich zu den vielfältigen technischen Problemen der Überlieferung und Bewahrung gerade der Kinematographie der ersten drei Jahrzehnte stellen sich internationale Archive seit einiger Zeit vermehrt die Frage, wie man Stummfilme bzw. rekonstruierte Fassungen von Stummfilmen heute vorführen soll oder kann. Zu diesen Fragen bat medien & zeit den Filmpublizisten, Kurator und Direktor des ÖFM, Alexander Horwath, und den Leiter des Filmkonservierungszentrums Laxenburg und Kurator der Filmsammlung des FFA, Dr. Nikolaus Wostry, zum Gespräch. Das Gespräch führte Michael Loebenstein.

Lobenstein: Wie sieht das Selbstverständnis der jeweiligen Institutionen aus, was sind die Aufgaben und Zielsetzungen in Bezug auf den Umgang mit Film? Um alphabetisch anzufangen, gleich die Frage an Nikolaus Wostry vom Filmarchiv Austria: laut der Selbstdarstellung des FAA versteht sich Ihre Institution als modernes Dokumentations- und Service-Center – also als eine Art Mediathek. Was die Sammlung betrifft, so konzentriert es sich neben international herausragenden Werken vor allem auf Filmmaterialen mit Österreichbezug…

Nikolaus Wostry: Ich möchte und kann hier nur aus der Perspektive der Sammlung sprechen und würde das für meinen Tätigkeitsbereich vielleicht so fassen: beim Sammeln von Quel len materialen ist der österreichische Film einer der Schwerpunkte, das historische Filmmaterial aber der andere große Schwerpunkt. Das bedeutet, wir sammeln österreichischen Film in jeder Form und bei den internationalen Werken das, was in Ursprungsmaterialien verfügbar ist. Viele Stummfilme in unseren Beständen sind aber keine Kunstwerke, sondern Produktionen, die damals am Markt erschienen sind – irgendwelche Militärklamotten ebenso wie Gebrauchskomödien. Filme also, denen man keinen großen qualitativen Wert zumisst. Wenn wir solche Materialien finden, dann existieren diese Filme als Originalquellen weltweit oft nur noch bei uns. Wir nehmen diesen Umstand sehr bewusst als Verantwortung wahr. Andererseits wollen wir nicht von allen klassischen oder international anerkannten Werken eine Vorführkopie haben, sondern suchen aktiv nach den Ursprungsmaterialien, um diese zu sichern. So gesehen sind wir eher ein klassisches Archiv als eine Cinémathèque. Eine klassische Cinémathèque vermittelt ja die Werke der Filmkunst oder Filme von soziologischer Bedeutung, während wir alles nehmen, das in seiner Ursprünglichkeit vorhanden ist. …