Fritz Hausjell: Die gescheiterte Alternative Das Modell der Sozialisierung der Betriebsgewinne einer Zeitung am Beispiel der Salzburger Nachrichten (1945 – 1960)

Einleitung
Man stelle sich vor, der „Kurier“ und die „Neue Kronen-Zeitung“ stellen den überwiegenden Teil ihrer Gewinne zur Sanierung österreichischer Kulturbauten, etwa des desolaten Naturhistorischen Museums in Wien, zur Verfügung. Und stellen Sie sich weiters vor, daß diese beiden auflagenstarken Blätter dies nicht als einmalige PR-Aktion machen, sondern seit Jahren. Denn die österreichischen Zeitungsunternehmen haben sich verpflichtet, ihrer vielzitierten „öffentlichen Aufgabe“ auch im ökonomischen Bereich gerecht zu werden.

Daß bei den Zeitungen, die Gewinne schreiben – was bei der Tagespresse heute nur etwa bei der Hälfte der Fall ist –, diese in Wirklichkeit ausschließlich den Eigentümern zugute kommen, ist das Ergebnis einer Entwicklung, deren Richtung am Beginn der Zweiten Republik noch nicht entschieden war. Heutzutage gilt es nicht nur in den Köpfen von österreichischen Unternehmern als das „natürlichste“, daß ein Eigentümer eines Medienbetriebes den Gewinn für sich behält. Daß auch diese Einstellung einem Entwicklungsprozeß unterlag, zeigt schon allein der Hinweis darauf, daß es unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg etwa in Deutschland einen Vorsitzenden des deutschen Zeitungsverlegerverbandes gab, der 1946 feststellte: „Wir wollen keine kapitalistische Presse, wir wollen als Beispiel sozialen Denkens nicht die restlose Ausnutzung einer Gewinnabschöpfung, sondern wir verlangen Sicherheit des Unternehmens im deutschen Gesetz, das außer der kapitalistischen Form Möglichkeiten genug bietet, die neue deutsche Presse durch Sicherstellung der Unabhängigkeit sowohl des Unternehmens als auch der Person des Lizenzträgers zu gewährleistend“.

Ein Paradebeispiel dafür war in Deutschland die „Frankfurter Rundschau“, die als „gemeinnütziges Unternehmen“ geführt werden sollte, ein Modell, das allerdings nur kurz Bestand hatte. Einige andere deutsche Zeitungen diskutierten damals ähnliche Modelle oder versuchten abseits der rein privatkapitalistischen Organisationsform neue Wege, über Stiftungen und über Beteiligung der Redaktion am Verlag.

Auch in Österreich begann nach der militärischen Niederringung des NS-Regimes eine neue Ära. Die Medien wurden durch Entscheidungen der Alliierten neu geordnet. Die Periode des Faschismus hatte Anhänger des kapitalistischen Gesellschaftssystems zumindest verunsichert und Sozialisten und Kommunisten in der Auffassung bestärkt, daß die Produktionsverhältnisse dringend einer Änderung bedürfen. Den Sieg des Faschismus erlebte ein Teil der Bourgeoisie als Erfolg, weil dadurch der drohende Zusammenbruch des Kapitalismus abgewendet wurde. Die Niederlage des Faschismus im Jahr 1945 war dann das zweite Erfolgserlebnis für jene, da durch den „Wiederaufbau“ der Kapitalismus an einem früheren Punkt wieder ansetzen konnte. Das Bürgertum befand sich in der unmittelbaren Nachkriegszeit allerdings in einer Legitimationskrise hinsichtlich des von ihm bevorzugten Wirtschafts- und Gesellschaftssystems. Dies ging im Bereich der Medienproduktion so weit, daß der Verband der Zeitungsherausgeber, der trotz der Präsidentschaft des sozialdemokratischen Ministers Oskar Helmer damals mehrheitlich kein sozialistisch orientiertes Gremium war, 1945/1946 mehrmals die Forderung nach Verstaatlichung der Papierindustrie erhob. 1947 war die Mehrheit der Zeitungsherausgeber von dieser Forderung jedoch schon abgerückt, lediglich die KPÖ-Vertreter urgierten diese weiterhin. …