Wolfgang Duchkowitsch: Der Fall des Wiener Journalisten Johann Baptist Dal Sasso 1780 Rigorosität und Fragilität europäischer Kommunikationskonvention während der Ära des Absolutismus

Einleitung
Joseph II. hielt in seinen „Grund-Regeln zur Bestimmung einer ordentlichen künftigen Bücher-Censur“ im Februar 1781 fest: „Was in das Staatswesen einschlägt, darüber müßte, wenn von fremden Höfen ärgerliche Sätze oder Schriften erschienen, das Decisum der Staatskanzley, an welche selbe einzuschicken wären, anverlangt und sich darnach gehalten werden“ (Schlözers Briefwechsel 1782, S. 222-228). Diese Maßregel entsprach der Staatsräson absolutistischer Legitimität. Jeder Schriftsteller hatte sich solchermaßen „ärgerlicher Sätze oder Schriften“ gegen auswärtige Höfe zu enthalten, außer er handelte im obrigkeitlichen Auftrag oder unter offener respektive halbwegs verdeckter Duldung. Zeitungsschreiber waren diesem Prinzip im besonderen Maße unterstellt. Als strafwürdig galt der Obrigkeit im allgemeinen bereits, wenn eine Zeitungsmeldung gebracht wurde, die sich auf „vermeyntliche Gesinnungen gecrönter Häupter oder angeblicher Vorfälle und Unternehmungen ganzer Mächte“ (Deutsche Kriegs=Canzley auf das Jahr 1762, 1763, S. 323) bezog. Besonders gefährlich aber konnte es für einen Zeitungsschreiber werden, wenn er gegen folgendes Postulat absolutistischer Kommunikationskonvention verstieß: „Er prophezeye also keinen Krieg, wenn es bloß in seinem Gehirne stürmisch, sonsten aber in der ganzen Welt ruhig ist“ (J.G.H. 1755). Dieser Order kam Johann Baptist dal Sasso mit einer Meldung aus dem Russischen Reich etwas allzu nahe. Arretierung und ein halbjähriges Berufsverbot waren die Folge.

Mit dem folgenden Beitrag soll der Aktionsraum eines Journalisten des ausgehenden 18. Jahrhunderts näher beleuchtet und anhand eines „Fallbeispiels“ Einblick in die „Geschäftsgebährung“ europäischer Kommunikationskonvention gewährt werden. Damit soll kein Versatzstück kreiert werden, sondern vielmehr der Erforschung einer Zeit ein weiteres Baustück angeführt werden, die eine solche Gegenwartsrelevanz wie nur wenige historische Epochen hat (Csáky, 1983, S. 5). Einleitend wird versucht, einen summarischen Einblick in die gegenwärtige Forschungssituation zu liefern. …