Stefanie Averbeck-Lietz: Wenn wir uns nicht erinnern, verlieren wir den Gesamtzusammenhang Antworten zur Rundfrage

medien & zeit habe ich schon im Studium der Publizistikwissenschaft an der Universität Münster bei Arnulf Kutsch als relevante Fachzeitschrift für die historische Kommunikationsforschung kennen und schätzen gelernt. Darüber hinaus verbinde ich mit m&z eine persönliche Geschichte: Meinen allerersten wissenschaftlichen Aufsatz habe ich vor beinahe 20 Jahren in medien & zeit publiziert. Das war eine Herausforderung und hat mich riesig gefreut, zumal ich damals zwar schon promoviert, aber noch gar nicht in der Wissenschaft tätig war. In dem Zuge habe ich Fritz Hausjell kennengelernt, der damals den Text lektoriert hat, jedenfalls soweit ich mich richtig erinnere – womit man schon die Überleitung zum fachlichen Problem herstellen kann: Wenn wir uns nicht erinnern, verlieren wir den Gesamtzusammenhang. Dazu dient historische Kommunikations- und Medienforschung. Und um sich „richtig“ zu erinnern, braucht man einen Quellenzugang (wie kritisch der auch immer sein mag). In beschriebenem Falle müsste man jetzt bei Fritz Hausjell nachfragen… Die Arbeit an Quellen oder den Umgang mit Oral History lernen aber heute die wenigstens Studierenden noch in den Studiengängen für Kommunikationswissenschaft, die ja – zumindest in Deutschland – Kommunikationsgeschichte inzwischen stark an den Rand gedrängt hat, das ebenso für die Forschung als auch für die Lehre gilt. Es kommt hier also sehr auf die einzelnen Forscher*innen und Dozent*innen und auch die transdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Geschichtswissenschaft an. Die Lektüre von medien & zeit – gerade mit dem Online-Archiv und der dadurch möglichen Recherche – schafft hier eine wichtige Kontinuität. Kontinuität, die den Rückblick miteinschließt, brauchen wir, um den gegenwärtigen Medien- und Kommunikationswandel zu verstehen. Wie etwa sollte man die rasanten Veränderungen im journalistischen Beruf und dessen strukturellen Bedingungen beschreiben, analysieren und bewerten, ohne zu wissen, wie dieser sich langfristig entwickelt hat?

Bei solchen Fragen geht es nie nur um den Wandel der technisch-medialen und kommunikativen Phänomene selbst, sondern auch – ganz im Sinne eines kritischen Zugangs – um uns als dessen (wissenschaftliche) Betrachter*innen: Als ich in Münster Publizistikwissenschaft studiert habe und medien & zeit kennenlernte, war das ein anderes Fach als es die aktuelle Kommunikationswissenschaft ist. Einerseits liegt das eben an jenen Phänomen: Wir arbeiteten – heutigen Studierenden nicht mehr vorstellbar – jenseits irgendeines digitalen Phänomens und zwar weder darüber noch damit. Die meisten Studierenden hatten Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre keinen PC, – nicht einmal den –, auch kein Mobiltelefon, kein Internet, statt dessen elektrische Schreibmaschinen zu Hause und Papierblock und Kugelschreiber in der Vorlesung. Wer es sich (zu)getraut hat, ging sporadisch in den „Computerpool“ und in der Bibliothek recherchierte man mittels Zettelkästen, bisweilen auch am Mikrofilm.

Die Phänomene allein bestimmen aber noch keinen wissenschaftlichen Zugang. Die Phänomene zeigen, dass es Wandel gibt, aber sie determinieren nicht den Blick auf den Wandel. Der wissenschaftliche Zugang ist nur über den Theorie- und Methodenwandel, der sich mit dem Medienwandel vollzog und vollzieht, beschreibbar (derzeit sind hier sicherlich die Mediatisierungs- und die Medialisierungsforschung sowie die „digitalen Methoden“ zu nennen). Um diesen Zusammenhang zwischen den Phänomenen und deren wissenschaftlicher Betrachtung zu verstehen, müssen Kommunikationsgeschichte und Fachgeschichte eng beieinander liegen und mit Blick aufeinander betrieben werden.

Zu einem Aspekt der Fachgeschichte verfasste ich auch meinen ersten Aufsatz in medien & zeit, einer Zeitschrift, die eben auch die Fachdebatte über die Kommunikationsgeschichtsschreibung und die Geschichtsschreibung der Publizistik-, Kommunikations- und Zeitungswissenschaft maßgeblich angeregt hat.