Einleitung: Zugang und Titelgebung des Beitrages beruhen auf dem Ansatz des Salzburger Historikers Ernst Hanisch, der in seinem Aufsatz „Ein Versuch den Nationalsozialismus zu ‚verstehen'“ Folgendes formulierte: „Trotz der schrecklichen Bilanz dieser Periode ist die Beurteilung keines wegs einhellig. Nirgendwo in der neueren Geschichte ist die Diskrepanz zwischen den Ereignissen der wissenschaftlichen Zeitgeschichte und der Meinung eines Teiles der Bevölkerung größer als bei der NS-Frage.“
Hanisch erklärt diese Diskrepanz und Dissonanz mit den je persönlichbiographisch unterschiedlichen Erfahrungshintergründen von Opfern, Tätern und Profiteuren des Regimes. Diese führten zum einen dazu, die jeweils individuellen Erlebnisse „als die Wirklichkeit des Dritten Reiches auszugeben“ zum anderen dienten sie als „Entschuldigungen für“ das „Handeln oder Unterlassen (…). Obendrein war es ein Grund- prinzip des Dritten Reiches, daß ein jeder nur soviel wissen durfte, wie zur Erfüllung seiner Aufgabe notwendig war. Seine Pflicht tun, hieß: die Verantwortlichkeit zu parzellieren und abzuschieben und der Frage auszuweichen, wozu diese ‚Pflicht‘ diente!“
Bei der Analyse der NS-Herrschaft sieht Hanisch „die ‚Falle‘ des hermeneutischen Zirkels besonders weit“ geöffnet, nämlich dass der „Historiker, der nach 1945 seine Arbeit beginnt, (…) das Ergebnis [kennt], die Mehrzahl der Menschen, die 1938 agierten, (…) jedoch nicht“.
Das dürfe aber nicht zur Akzeptanz der „nach 1945 häufig gehörten Verführungsthese“ – „hier eine dämonische Führung, dort ein verführtes, naives ‚Volk‘ – führen, die Stabilität des Regimes und die relativ große Zustimmung der Bevölkerung kann nicht lediglich auf den Terror von oben und die gezielten Manipulationen von außen zurückgeführt werden. Es müssen genügend ökonomische, soziale, ideologische und emotionelle Anreize vorhanden gewesen sein, die eine Unterstützung bzw. ein Ertragen des Regimes herbeiführten.“…