Einleitung: Dies ist nun die vierte in einer Folge von Buchveröffentlichungen, in denen eines der ältesten und doch noch immer spektakulärsten Projekte moderner Kommunikationsforschung vorgestellt wird. Wer seihst mit diesem Unternehmen sozusagen wissenschaftlich erwachsen geworden ist, weil er sich an seinen ob der damals nicht vorhandenen empirischen Ausbildung geradezu naiven erstmaligen Umgang mit diesem Datenmaterial Mitte der 60er Jahre erinnert, der steht heute fast ungläubig vor der Tatsache, daß damit die auf die Aktualität bezogene Feldforschung zum Teil der Kommunikationsgeschichte wird. Fast möchte man sagen, daß damit diejenigen, die für diese Studien verantwortlich sind und waren, einen Auftrag erfüllten, den Paul F. Lazarsfeld 1950 in einem Vortrag mit dem ‚Titel Die Verpflichtungen des Meinungsforschers von 1950 für die Historiker von I9S4 postulierte. Fr stellt in diesem Vortrag den Mitgliedern der „American Association for Public Opinion Research“ die Frage: „Und übersehen wir nicht die Tatsache, daß der Meinungsforscher gewissermaßen die zeitgenössische Geschichte aufzeichnet? Könn- tc uns nicht der Geschichtsforscher von 1984 vorwerfen, daß wir nicht genug an das gedacht haben, was er über das Jahr 1950 wissen wollen wird?“ (Wilke, 1990).
Man sollte sich freilich keine Illusionen machen: Es war weniger beziehungsweise gar nicht das methodische Bewußtsein eines Lazarsfeld, dem wir diesen empirischen Beitrag zu einem Vierteljahrhundert einer Me- diengeschichte aus Nutzersicht verdanken, als vielmehr einer M ischung aus Zufall und den kommunikationswissenschaftlichen Obsessionen einiger weniger Personen, darunter vor allem Marie-Luise Kiefer. Gerade Anfang der 90er Jahre ist es nützlich, daran zu erinnern, in welcher Situation diese zur „Langzeitstudie“ gewordene Erhebung startete. Anfang der 60er Jahre gab es in der BRD die immer heftiger werdenden Auseinandersetzungen zwischen den diversen kommunikationspolitischen Handlungsträgern, denen es entweder um eine Bewahrung des status quo (vor allem die Rundfunkanstalten, die Gewerkschaften und die SPD, aber auch Teile der CDU/CSU und des übrigen konservativen Lagers) oder um eine gründliche Neuordnung der Rundf unklandschaft ging (an der Spitze der Bundesverband der deutschen Zeitungsverleger, phasenweise nicht zuletzt unter dem Einfluß von Axel C. Springer, dessen Bild-Zeitung wenige Jahre später dann im Mittelpunkt heftigster politischer Auseinandersetzungen stand). Damals verteidigten sich die Rundfunkanstalten mit einer vierbändigen Dokumentation Rundfunkanstalten und Tageszeitungen, deren vierter Band eine von den Instituten DIVO und In- fratest durchgeführte Meinungsumfrage über „Ergänzung oder Konkurrenz der Massenmedien?“ dokumentierte. …