Einleitung: Das Eintauchen in das Leben. Der Reporter als Erzähler, als Mitwisser und Mitwirkender. Das sind die Zutaten für den New Journalism, der aus dem US-amerikanischen Markt erwuchs und sich aus den gesellschaftspolitischen Umbrüchen der 1960er Jahre entwickelt hat. Mit Verspätung tauchte er im deutschsprachigen Raum auf. In den 1980er Jahren übernahmen vor allem zwei Zeitschriften das Konzept des New Journalism, das Hamburger Magazin Tempo und der Wiener.
Die 1980er, ein so genanntes Spaßjahrzehnt, stand im Gegensatz zu den beiden Dekaden davor. Haben die alternativen Hippie- und Punkbewegungen der 1960er und 1970er Jahre hierarchisch- kapitalistische Gesellschaftsstrukturen abgelehnt und moralische Werte wie Innerlichkeit idealisiert, orientierte sich die „Yuppiegeneration“ der 1980er Jahre mit ihrem Streben nach beruflichem Erfolg und materiellem Wohlstand an jenen der Äußerlichkeit. Der Wiener als auch Tempo können als typische medienkulturelle Produkte dieses Jahrzehntes betrachtet werden. Im Folgenden werden Ergebnisse einer inhaltsanalytischen Untersuchung des österreichischen Lifestyle- Magazins präsentiert. Ziel dieser Analyse war es, zu erforschen, inwieweit sich im Wiener in den Jahren 1982-1986 die für den New Journalism typischen „Gonzo-Elemente“ der Subjektivität und der Selbstinszenierung in der Darstellungsform der Reportage wiederfinden, beziehungsweise inwieweit sich darin der journalistische Rollenwechsel vom Beobachter zum Akteur vollzogen hat.
Stark an Alternativkulturen der 1960er Jahre gebunden, fokussierten „New Journalists“ auf Subthemen wie Drogen, Gewalt, freie Sexualität und erschütterten damit die Wertewelt des amerikanischen Mittelstandes. Das Verwenden literarischer und journalistischer Stilmittel zählte zu seinen weiteren Merkmalen und führte dazu, dass der New Journalism umstritten blieb, da er Gefahr lief, „die ohnehin nicht evidenten Grenzen zwischen Fakten und Fiktion zu interpolieren“ (Wallisch, 1990, S. 145). Dies gilt insbesondere für seine radikale Spielart, den so genannten Gonzo Journalism. Der Autor geht hier noch einen Schritt weiter, inszeniert sich selbst, macht sich zum Akteur, greift ins Geschehen ein und verändert es dadurch. Barbara Reichmann zeigt in ihrer Diplomarbeit aber auf, dass Gonzo Journalism, der Terminus geht auf das Schaffen von Hunter S. Thompson zurück, „ehrlicher berichtet als so manche andere Journalismusform“ (Reichmann, 1999, S. 1), da es dem Autor in seinem Werk immer nur darum gehe, Authentizität herzustellen.
Gianluca Wallisch setzte sich in zahlreichen Arbeiten mit dem Thema New Journalism auseinander. Er vertritt die These, dass es sich bei diesem Genre um ein durch und durch amerikanisches Phänomen handle, das man nicht – zumindest nicht mit Erfolg – in andere Kulturen verfrachten könne (Wallisch, 1990, S. 120). Dies sieht er vor allem in der Sprache der Journalisten begründet, die mit ihren zahlreichen Neologismen und Begriffen wie „Varoom“ oder „Zonk!“ zum Teil stark an die Diktion amerikanischer Comic-Strips erinnert und damit belegen würde, wie sehr dieser Stil als Ausdruck der amerikanischen Alltagskultur gelten könne (ebd., S. 117). Im europäischen Raum ortet Wallisch hingegen generell wenige Ansätze dieser Journalismusform, und in Österreich zählt er dazu überhaupt nur die Monatsmagazine Auto Revue oder Diners Club Magazin. Diese Zeitschriften bezeichnet er als „Relikte“ des New Journalism, da beide Lifestyle-Themen mit sprachlichem Witz und mit einer Einstellung behandeln, wie es für das Genre typisch ist. Für ihn erreichen andere „Zeitgeist-Magazine“ diesen Standard nicht einmal annähernd, v.a. die literarische Komponente betreffend (ebd., S. 120). Siegfried Weischenberg hingegen sieht die Mischung aus Journalismus und Literatur in Deutschland vom Zeitgeist- bzw. Autoren-Journalismus in den 1980er Jahren aufgegriffen, der sich mit den Zeitschriften Tempo und Wiener seine eigenen Medien geschaffen habe (Weischenberg, 2001, S. 43). …