Einleitung: “Prüfen wir unsere Bestände!” ist eine stehende Wendung des Sozialhistorikers, der nicht hysterisch verehrungssüchtig und auch nicht unangemessen anspruchsvoll an seine Arbeit geht. Auf der Suche nach den Wurzeln “sozialer Demokratie” gilt es, Verschüttetes bloßzulegen und Heldengalerien orthodox-beflissener Geschichtsschreibung zu korrigieren. Kommunikationsgeschichtler, unermüdlich auf der Suche nach der richtigen Sohltiefe im Fahrwasser zwischen ihren von der Soziologie entlehnten Theorieansätzen und ihrer Peripherieangst vor der Geschichte, sind am Zug. Sie haben Substanz in die Sozialgeschichte zu bringen, mit dem Wissensvorteil, daß soziale Geschichte auf Gesellschafts-Kommunikation begründet ist – abseits herrschaftlicher Stammbäume und adeliger Öffentlichkeit.
Am Beginn dieser Arbeit über die anarchistische Presse von 1890 bis 1933 stand die Erkenntnis, daß der Anarchismus und seine Publizistik in geschichtlichen Darstellungen als Marginalie von der Qualität eines Fußnotenfüllers in der Literatur auftauchen. Daraus erhob sich die Frage, was sich hinter dieser Presse verbirgt: Wie artikulierte sie sich, welche Agitationslinien standen dahinter und vor allem: welchen Strukturrahmen besetzte sie, welches Eigenleben förderte sie und von welchem Naturell war ihre Einbettung ins gesellschaftliche Ganze und ihrem ideengeschichtlichen Überbau? …