Einleitung: Revolution 1848/49 – Geburtsstunde der modernen Karikatur
Dem aufmerksamen Betrachter von Karikatur wird es nicht entgangen sein, daß die in der aktuellen Tagespresse präsente Bildsatire erheblich an Profil, Biß, aber auch an souveränen Zeichnern eingebüßt hat. Und obwohl die politische Karikatur durch keine offene Zensur beeinträchtigt ist, befindet sic sich mit ihren stumpf gewordenen Federn in einer offensichtlichen Krise. Die Beantwortung der Frage nach den Ursachen setzt das Herausschälen wesentlicher Bewegungsgesetze der Bildsatire voraus. Dies lenkt zugleich den Blick auf die Anfänge der modernen politischen Karikatur, die in der deutschen Revolution 1848/49 ihre Geburtsstunde findet.
Als im März 1848 unter dem politischen Druck der oppositionellen Arbeiter, Handwerker, Intellektuellen und Bürger die Aufhebung der Zensur offiziell verfügt werden mußte, löste dies eine bislang ungeahnte Flut an Karikaturen aus. Mit 279 Einblatt-Karikaturen zur 1848/49er Revolution beherbergt das Institut für Zeitungsforschung der Stadt Dortmund eine regelrechte Fundgrube für die Auseinandersetzung mit der Zensur Mitte des 19. Jahrhunderts und ihren Auswirkungen auf die Bildsatire in Deutschland. Bewertung und Interpretation dieser Karikaturen setzen heute voraus, Ereignisse, Hintergründe und Ikonografie in ihrer Wechselwirkung zu den historisch-politischen Determinanten zu erforso offen zutage wie in dem vorliegenden Blatt Sonst — Jetzt (vgl. Abb. 1) vom März 1848. Ausgehend von den Ereignissen im Februar 1848 in Frankreich und Anfang März desselben Jahres in Wien, hatte sich das Blatt auch in Deutschland politisch grundlegend gewandelt. …