Abstract: Eine unvermeidliche Begleiterscheinung von Öffentlichkeit ist Nichtöffentlichkeit, denn jede Öffentlichkeit schließt zugleich ein und aus, weil Kommunikation selektiv ist. Nichtöffentlichkeit resultiert außerdem aus alltäglichen Kommunikationsbarrieren und aus gezielter Geheimhaltung, also der Weigerung, anderen etwas mitzuteilen. Wird auch Geheimhaltung geheim gehalten, handelt es sich um reflexive Geheimhaltung, bei der die Absicht schwer nachzuweisen ist, und werden andere ins Vertrauen gezogen, entsteht ein kollektives Geheimnis bzw. eine diskrete Öffentlichkeit.
Motive und Funktionen von Geheimhaltung sind ebenso ambivalent wie ihre Bewertung: Eigene Geheimnisse werden gewöhnlich positiv bewertet, fremde eher negativ. Kommunikativ werden Geheimnisse gern durch Täuschungen, Lügen, Ablenkung oder verbales Verwirrspiel geschützt und sie sind ein wichtiges Mittel zur Gewinnung von Macht, weil sie die eigene Berechenbarkeit erschweren. Deshalb werden z.T. beträchtliche Ressourcen darauf verwendet, eigene Geheimnisse zu sichern und fremde in Erfahrung zu bringen, und Experten werden damit beauftragt, Geheimhaltung gesellschaftlich akzeptabel zu machen. Dies geschieht u.a. durch wohldosierte Öffentlichkeitsarbeit, denn die Medien sind unverzichtbar, wenn man allgemeine Zustimmung braucht.
In Zeiten technischer Überwachungssysteme und extensiver Sammlung und Verwertung persönlicher Daten wird die Legitimität von Geheimnissen freilich fragwürdig, zumal solche Praktiken häufig nicht bemerkt werden oder unklar bleibt, wer dahinter steckt. Damit erreichen Geheimnisse in der digitalen Welt eine neue gesellschaftliche Brisanz.