Einleitung: Das zweite Jahrtausend ist vergangen, ohne daß sein Ende eine Spur hinterlassen hätte. Im Rückblick erweist sich der große Trubel um den Jahreswechsel 1999/2000 als völlig unbegründet, die Jahrhundert- bzw. Jahrtausendwende entpuppt sich als ein „erfundenes“ Datum. So stützt sich der Termin der Jahrtausendwende auf die christliche Zeitrechnung, die für andere Glaubensrichtungen, etwa Mohammedaner oder Buddhisten, keine Gültigkeit besitzt. In dieser Zeitrechnung, die auf den Berechnungen des im 6. Jahrhundert lebenden Mönchs Dionysius Exiguus beruht, ist zudem das Jahr der Geburt Christi falsch bestimmt. 2000 Jahre wären daher eigentlich schon am 1. Januar 1994 vorbei gewesen. Doch selbst wenn man diese Zeitrechnung akzeptiert, endete auch mathematisch das zweite Jahrtausend erst am 31. Dezember 2000. Auch die visionären und messianischen Vorhersagen, soweit sie unter Verweis auf die Endzeitvorstellungen des Jahres 1000 beschworen wurden, beruhten auf einem Irrtum, den die Geschichtswissenschaft längst widerlegt hat (Fried, 1989, S. 381-473; Freund, 1997, S. 24-49). Und selbst der große Computer-Crash, der als realer Gehalt der Untergangs-szenarien angekündigt wurde, hat sich als ein eher kümmerliches Problem erwiesen.
Der Reporter, der am 31. Dezember 1999 beteuerte, die Sylvesterfeiern seien selbst ein Jahrtausendereignis, irrte daher. Sicher waren die Sylvesterfeiern 1999 kein wichtiges Ereignis des zweiten Jahrtausends, da gab es unzählige bedeutendere. Sie waren auch kein Ereignis des dritten Jahrtausends, denn wer weiß schon, was in diesem noch kommen wird. Entscheidend aber ist, daß die Jahrtausendwende aus den angeführten Gründen überhaupt kein Ereignis war, sie war höchstens ein Event – und vielleicht nicht einmal ein aufsehenerregendes. Warum sich also überhaupt mit dem Wechsel von Jahrhunderten oder Jahrtausenden beschäftigen? Oder als Historiker gefragt: Warum soll man sich mit vergangenen Jahrhundert-wenden beschäftigen? Die historischen Bücher, die zum Jahreswechsel 1999/2000 erschienen sind, geben dazu unterschiedliche Antworten. Einteilen kann man sie in drei Kategorien. Zum einen die Jubiläumsliteratur: Sie nimmt das Gegenwartsgeschehen zum Anlaß, Interesse für die Vergangenheit zu wecken. Die Gunst der Stunde dient der historischen Vermittlung.’ Zum zweiten die Zeitanalyse. Hier wird im Umgang mit den Jahrhundertwenden der Wandel des Zeitverständ-nisses der Menschen gezeigt.5 Schließlich drittens der im folgenden ausführlicher vorgestellte Ansatz einer Erwartungsgeschichte. …