Ingrid Scheffler: Der Schriftsteller Jurek Becker als Medienautor Sein Erzählen in Buch und Film

Einleitung: Jurek Becker wurde von der Öffentlichkeit lange ausschließlich als Schriftsteller wahrgenommen. Das gilt für die Rezeption seiner Werke in den Medien, aber auch für die wissenschaftliche Literatur, die die literarischen Publikationen des Autors behandelt, nicht aber seine umfangreichen Drehbucharbeiten. Diese Mißachtung der filmischen Arbeit und die schwerpunktmäßige Betrachtung der geschriebenen Literatur ist noch typisch für die Kennzeichnung des heutigen Schriftstellers, obgleich zahlreiche Autoren längst „Medienautoren“ sind (z.B. Durzak, 1989). Ein umfassender Literatur- und Kunstbegriff müßte weitaus konsequenter zur Anwendung kommen, wie auch eine intensivere wissenschaftliche Aufarbeitung der neuen literarischen Kommunikationsformen erforderlich geworden ist (Fohrbeck & Wiesand, 1972).

Viele prominente (und sehr viele unbekannte) Literaten schreiben für Film oder Fernsehen, wie zum Beispiel Martin Walser, Günter Kuriert, Otto Jägersberg. Ungewöhnlich ist jedoch, daß Jurek Becker nicht vom Buch zum Film kam, sondern zuerst Drehbuchautor war, fest angestellt bei der DEFA (Deutsche Film- Aktiengesellschaft der ehemaligen DDR). Seinen ersten – äußerst erfolgreichen – Roman Jakob der Lügner schrieb er, weil seine Drehbuchfassung des Stoffes von der DEFA abgelehnt worden war. Populär als Drehbuchautor wurde er erst, nachdem er anerkannter Schriftsteller war, nämlich mit der Femsehserie Liebling – Kreuzberg.

Während seiner dreißigjährigen beruflichen Medientätigkeit nimmt das Drehbuchschreiben für Film und Fernsehen bei ihm quantitativ und arbeitszeitlich einen bedeutenden Raum ein. Dabei ist jedoch zu beachten, daß er an Produktionen für die audiovisuellen Medien in unterschiedlicher Weise beteiligt war, bei einigen filmischen Umsetzungen seiner Romane nur bei den Dreharbeiten mitwirkte, an manchen Drehbüchern als Co-Autor schrieb oder lediglich als „Stofflieferant“ diente. Von daher erscheint es sinnvoll, an konkreten Beispielen seine filmische Leistung jeweils darzustellen. …