Einleitung: Karikaturen haben einen festen Platz in der politischen Auseinandersetzung. Comics interessanterweise nicht. Man denkt an Doonesbury, aber damit ist die Liste prominenter Beispiele beinahe schon erschöpft. In der Masse der gezeichneten Helte nehmen Stellungnahmen zu tagespolitischen Themen und aktuellen Konflikten nur einen kleinen Raum ein. Phantasiewelten, Erotik, Lausbubenstreiche und allenfalls (pseudo-)historische Rekonstruktionen beherrschen das Terrain. Dagegen soll die Aufmerksamkeit in diesem Beitrag auf eine gegenwärtige Krisenregion gelenkt werden, das Gebiet der ehemaligen jugoslawischen Föderation. Die Katastrophen anläßlich ihres Zerfalls bilden den Anstoß zu einer Anzahl bemerkenswerter Comic-Publikationen. Man ist gewohnt, die angesprochenen Themen in anderen Kanälen wahrzunehmen bzw. abzuhandeln. Die Nachrichtensendungen im Fernsehen, die Kontroversen in den Feuilletons großer Zeitungen und die rasch verfaßten journalistischen Retrospektiven tragen den Hauptanteil der Auseinandersetzungen. Gezeichnete Bildgeschichten gehören nicht zum Standard repertoire dieser Verarbeitung.
Dafür ist dieses Ausdrucksmittel weniger prädeterminiert und flexibler einsetzbar. Comics sind eine Nebenfront in der Konfrontation mit dem Geschehen in Ex-Jugoslawien; sie gestatten daher vergleichsweise divergente Lösungen. Im ersten Teil wird das Schreib- und Zeichenrepertoire vorgestellt, mit dem Zeichner und Autoren auf die auslösenden Ereignisse reagierten. Der Überblick macht deutlich, wie reichhaltig die Mittel sind, die in dieser Ausdrucksform zur Verfügung stehen. Sie lassen sich hier nicht detailliert abhandeln, stattdessen wird ein einziger Aspekt herausgegriffen und im zweiten Feil ausführlicher diskutiert. Während die allgemeine Orientierung das weitere Spektrum sichtbar macht, das Comics besetzen, zeigt der gewählte Gesichtspunkt, gleichsam vertikal dazu, wie sie sich in konkreten Verhältnissen verankern lassen. Es geht um die Funktion, die Zeichnungen, in Abhebung von Fotos, bei der Repräsentation kriegerischer Ereignisse erfüllen. Und um die Modifikation ihrer unterschiedlichen Funktionalität im Rahmen des „World Wide Web“. Damit ist bloß ein kleiner Teil des umfangreichen Themengebiets berührt, zumindest aber eine Schnittstelle, an der sich die aktuellsten Medientechnologien mit dem vergleichsweise peripheren Vergnügen an gezeichneten Geschichten treffen. …