Einleitung: Um beobachten zu können, wie die Dinge laufen, ist es nötig, einen Schritt zurückzutreten. Für Bilder gilt das nicht in gleicher Weise. Sie sind schon einen Schritt vom realen Vorgang entfernt und wenn sie sich bewegen, impliziert das einen eigentümlich gestaffelten Verlauf. Es handelt sich ja nicht um den Transport der Bildträger, sondern um die darstellende Erfassung der zeitlichen Entfaltung bestimmter Verhältnisse. Dazu ist eine zweifache Laufzeit nötig, jene der Verhältnisse und jene ihrer Bilder. Um Bewegung wiedergeben zu können, müssen beide sorgfältig synchronisiert werden. Das Verständnis des Bewegungsbildes setzt die Beherrschung eines ausgeklügelten Verfahrens voraus, insbesondere einen Standpunkt, von dem aus die Diskrepanz zwischen Realzeit und Bildzeit in ein Darstellungsverfahren synthetisiert werden kann. Die Mobilität der Welt, die in ein Bild gebannt ist, beruht auf Zeitspeichern und den Konventionen, die sich im vergangenen Jahrhundert rund um sie entwickelt haben.
Die Faszination, die von bewegten Bildern ausgeht, lenkt davon ab, daß unterschiedliche Techniken und Rezeptionsweisen im Spiel sind. Ich werde zwei schwer vereinbare visuelle Produktionen durch etwas Überschaubares aufzuschlüsseln suchen, den ununterbrochenen Datenfluß des Fernsehens und die Gestaltungsfreiheit filmischer Bildkomposition anhand der Zeichnungen eines Comic strips. Frank Millers „Batman. The Dark Knight Returns“ lebt graphisch wie konzeptuell von deren Gegenüberstellung. Es ist ein Buch festgehaltener Bilder, und dennoch lassen sich in seinen Kompositionen Bewegungen, die täglich über uns hinweggehen, besser betrachten, als wenn man ihnen gerade unterliegt.
Nicht zufällig handelt der Comic strip von einem Helden mit bloß nachlässig vertuschten übernatürlichen Fähigkeiten. Man könnte meinen, daß es Frank Miller hauptsächlich darum zu tun ist, neuerlich ein Märchenmotiv aufzugreifen. Die unerhörten Abenteuer seiner Titelfigur sind jedoch nicht aus der formalen Überkreuzung von Film- und Fernsehästhetik herauszulösen, mittels derer sie erzählt werden. Eine menschliche Fledermaus als Verfechterin von Recht und Ordnung ist in die Maschen einer Bildgeschichte eingefangen. Im Verlauf ihrer Analyse wird deutlich werden, daß der Umgang mit Zeit im Nachrichtenstudio der großen Sendeanstalten beinahe zwangsläufig nach einer ganz anderen, von Halbgöttern beherrschten Zeit verlangt. Das Erzählkino ist die naheliegendste bildliche Umsetzung dieses Bedürfnisses, dementsprechend bewegt sich Batman zwischen der Tagesschau und den Stunts eines Actionfilmes. Die Zeit, die ihm dafür zur Verfügung steht, hat aber darüberhinaus noch eine andere Qualität. Nicht wenige Mythologien, darunter diejenige “Batmans”, sind auf den Weltuntergang fixiert. Im Zusammenhang mit dem Fernsehen entsteht daraus eine eigentümliche Pointe. Die Endzeit im Comic-Abenteuer korrespondiert mit einem durch die Medien erzeugten Zeitgipfel. Die globale, permanente und simultane elektronische Zugänglichkeit von Nachrichten tendiert zur Verwirklichung der früher bloß vorstellbaren planetarischen Katastrophe. Elektronische Datenübertragung ist ein möglicher Auslöser dieser Entwicklung, erst in zweiter Linie Medium ihrer Darstellung. Beim Film ist es gerade umgekehrt, seine Apokalypsen bleiben notgedrungen Vision. Ich nähere mich diesen Aussichten auf dem Weg über die Unterhaltungsindustrie. Der Comic strip erlaubt es, diese beiden Beobachtungen visuell und narrativ aufeinander zu beziehen. Die Zeit des Fernsehens hat andere Eigentümer als die Zeit des Films. Es macht einen großen Unterschied, ob man vor dem Apparat sitzt, oder ob er einem im Rücken surrt. Auf Frank Millers Bildseiten läßt sich nicht nur der Unterschied der Verfahren, sondern auch die raffinierte Abstimmung beobachten, mit der sie auf die Weltpolitik wirken. Globale Kriege entspringen der Verbindung eschatologischer Imagination mit dem Interesse jener, die die Kommunikationsindustrie beherrschen. Das zeichnet sich in Batman ab…