Primavera Gruber: „Mein lustigstes Lied wird ein Trauermarsch sein“ Musik und Widerstand gegen den Nationalsozialsozialismus

Einleitung:

Musik ist eine Sache für Träumer, Tänzer und Gaukler.
Musik ist eine zu differenzierte Sprache für politische Zwecke.
Musik ist zu laut.
Musik ist zu leise.

Musik und Widerstand: Ein Begriffspaar, das auf den ersten Blick nach „zwei Paar Schuh“ aussieht und auf den zweiten Blick auf ganz bestimmte Erscheinungsformen beschränkt scheint – Arbeiterchöre, Agitprop, das politische Kabarett. Erst bei näherer Betrachtung erschließt sich ein ergiebigeres Feld, das aber noch reichlich unerforscht ist. Auf Vollständigkeit muss an dieser Stelle verzichtet werden, wohl aber können Umrisse skizziert und einige wichtige Aspekte, die bis heute nicht genug berücksichtigt scheinen, erwähnt werden.

Widerstand gegen das NS-Regime, also jeder Akt aktiver Bekämpfung des Systems und seines Führers Adolf Hitler, von der Herstellung und dem Kleben regimefeindlicher Plakate bis zum versuchten Attentat und Staatsstreich, war von 1933 bis 1945 die Sache relativ kleiner und in der Bevölkerung weitgehend isolierter Gruppen, die sich auch dann nicht zu einer „ Widerstandsbewegung“ entwickelten, wenn einzelne Kreise in Verbindung traten und zu Kooperation fanden? (Grami, 1998, S. 309)

Sollte es also im musikalischen Umfeld anders gewesen sein, gerade dort, wo nach landläufigem Cliché apolitische, abgehobene Träumer oder in Schönklang schwelgende Kammervirtuosen am Werk sind?

Und noch dazu in Österreich, wo vordergründig das Harmoniestreben regiert, das Musikleben gleichzeitig wie nirgendwo .sonst von Intrigen und Revierkämpfen geprägt war und ist? Wo die erfolgreiche Absolvierung der „Hohen Schule des Opportunismus“ dem Stellenwert offizieller Diplome um nichts nachsteht?

Eine erste Suche in der Datenbank des Orpheus Trust zum Widerstand von Musikschaffenden ergab überraschende Zeugnisse von Mut und Zivilcourage, die solche Vorurteile zu widerlegen scheinen. Viele Musikschaffende haben nicht nur das wichtigste Werkzeug eines Musikers, ihre Hände, sondern auch ihre Existenz aufs Spiel gesetzt. Unter dem Suchkriterium „Widerstand“ findet sich eine sehr beachtliche Zahl von Komponisten, Dirigenten, Musikern und Musikverlegern. Dabei erfasst dieses Suchkriterium weder die „leisen“ Formen des Widerstands, wie den Rückzug in die innere Emigration und das – teilweise – Verstummen, noch den „Rettungswiderstand“ oder die vielfältigen Widerstandsformen der KZ-Häftlinge. …