Brigitte Lichtenberger-Fenz: „Fraueninteressen im Lichte der neuen Zeit besprechen“ Über Kontinuitäten und Brüche weiblicher Rollenzuschreibungen von der Ersten Republik zum Ständestaat am Beispiel der bürgerlichen Frauenzeitschrift "Frau und Mutter"

Einleitung: Gewalt und Terror, Brutalität, Rasanz und Effektivität, das waren 1938 die Mittel der nationalsozialistischen Machtübernahme, mit deren Hilfe alle gesellschaftlichen Bereiche in kürzester Zeit gleichgeschaltet wurden. Die Inszenierung und Demonstration von Macht und ihrer neuen Herren war lückenlos. Beteuerungen Damaliger, nicht dabei gewesen zu sein, nichts gewußt und gesehen zu haben, wirken befremdlich – kennen wir doch, wenn auch nur im nachhinein, mit historischer Distanz, den totalitären, allumfassenden nationalsozialistischen Herrschaftsmechanismus. Aber – während in den Tageszeitungen der Jubel über die “Heimkehr ins Reich” ausbrach, blieb die Frauenwelt davon vorerst unberührt: So wird etwa in der gutbürgerlichen Frauenzeitschrift Frau und Mutter die veränderte politische Situation mit keinem Wort erwähnt. Die Wirklichkeit findet nicht statt, sie bleibt ausgeblendet.

Ich stieß auf dieses Phänomen bei meiner Arbeit zu einer Studie über das nationalsozialistische Frauenbild. Es frappierte mich. Auch wenn ich eine Erklärung schnell bei der Hand hatte: „Das in den dreißiger Jahren in Österreich propagierte Frauenbild unterschied sich nur graduell von jenem im Dritten Reich. Hier wie dort wurde ein biologistisches Frauenbild entworfen, das die ’naturgegebene’ Bestimmung der Frau als Hausfrau und Mutter als zentralen Inhalt vermittelte. Hier wie dort sollten die Frauen angesichts von Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit vom Arbeitsmarkt verdrängt und an den häuslichen Herd zurückbeordert werden. Hier christlich, dort deutsch, hier christlich-deutsch, dort deutsch-arisch.“

Ist das wirklich so einfach? Ganz falsch ist es ja nicht: Kontinuität wie gleiche Grundlagen sind offensichtlich, ebenso das Ausblenden der Wirklichkeit und die Vorgaukelung von Normalität. Nur – wann war dann ein Bruch, ein Umbruch? Oder ist das konservativ-bürgerliche Frauenbild, auf dem der Nationalsozialismus aufbaute, in unseren Breiten das einzige, das es je gab? Da lande ich aber beinahe schon beim Begriff des “Naturgegebenen”, also in des Teufels Küche. Jedenfalls: Am Himmel der alltäglichen Geschlechterideologien scheint die große Welt der Politik spurlos vorüberzugehen.

Ich habe mich daher auf Spurensuche begeben und bin exemplarisch in der bürgerlich-kleinbürgerlichen Frauenzeitschrift Frau und Mutter ab 1926, ihrem erstmaligen Wieder-Erscheinen nach dem Ersten Weltkrieg, allen Veränderungen und Nuancen im dort präsentierten Frauenbild nachgegangen. …