Astrid Blome
Die Wahrnehmung und Bewertung von Informationen und Nachrichten hängt nicht allein vom Inhalt ab, sondern ebenso von ihrer medialen Präsentation. Zeitungsdesign, im Druck wie Online, kann nicht auf optische Aspekte reduziert werden. Von der Typografie bis zum Gesamtlayout wirkt die Gestaltung als zentraler Faktor der Sinnkonstruktion. Daher gründet das Erscheinungsbild gedruckter Zeitungen seit den 1980er-Jahren auf der systematischen Behandlung von Text und Design als Einheit. Demgegenüber muss für die mobile Mediennutzung die Wiedergabe von Nachrichteninhalten in crossmedialen Szenarien konzipiert werden.
Der Faktor Visualisierung erhielt dabei zunehmend Relevanz. So präsentieren sich traditionelle Printprodukte auf Twitter und Instagram und passen sich den Designvorgaben dieser Intermediäre an, loten aber auch eigene Spielräume aus. Doch wie korrespondieren die (traditionellen) Gestaltungsregeln gedruckter Medien mit den zunehmend durch visuelle und auditive Konzepte formierten Online-Medien? Wie wirken sich Faktoren wie Layout, Übermittlungswege, Provenienz von Daten auf die Rezeption von Informationen und Nachrichten aus? Wie adressieren Medienschaffende ihre Rezipienten? Welche Gestaltungs- und Wahrnehmungsprinzipien, welche Ästhetiken liegen welchen Medien- und Nachrichtenumgebungen zugrunde? Wie werden sie re- und neuformuliert?
Diese und weitere Fragen der Interdependenzen von Präsentation und Rezeption von Nachrichten und Nachrichteninhalten wurden im April 2019 auf der Fachtagung Von der Nachrichtenpräsentation zum Datenjournalismus: Kommunikationsdesign, Nachrichtendesign, Informationsdesign im Institut für Zeitungsforschung diskutiert. Die Jahrestagung des Instituts vereinte verschiedene wissenschaftliche mit berufspraktischen Perspektiven, die zentrale Fragestellungen vom historischen Technik- und Medienwandel bis zu den Anforderungen an den visuellen Journalismus in crossmedialen Redaktionen behandelten. Die Aufsätze dieses Heftes bieten eine Auswahl der gehaltenen Vorträge.
So fragt Lisa Bolz in ihrem Beitrag über die Nachrichtenpräsentation im 19. Jahrhundert nach dem inhaltlichen und formalen Einfluss technischer Innovationen, speziell der Telegraphie, auf journalistische Routinen und auf die Berichterstattung. Sie zeigt einerseits, wie die Telegraphie selbst zum Gegenstand der Berichterstattung wurde, als technische Neuerung ebenso wie als neues Kommunikationsmittel. Andererseits richtet Bolz den Fokus auf die Veränderungen der journalistischen Praxis durch die Beschleunigung des Informationsflusses, in der die Notwendigkeit zur redaktionellen Bearbeitung und Übersetzung des Telegrammstils neue Herausforderungen brachte, und die Visualisierung der neuen Technik. Darüber hinaus etablierte die Telegraphie Bewertungsmaßstäbe der Berichterstattung wie Geschwindigkeit, Exklusivität und Aktualisierung von Nachrichten.
Christian Schäfer-Hock fasst in seinem Artikel So sehen gedruckte Zeitungen aus die Bedingungsfaktoren für den Wandel von Zeitungslayout und -design zusammen, wobei er gesellschaftliche, politische, juristische, ökonomische, technische sowie akteursbezogene Faktoren berücksichtigt. Er untersucht den Wandel der journalistischen Darstellungsformen und des Zeitungslayouts von vier Tageszeitungen im Zeitraum zwischen 1992 und 2012 in einer quantitativen Inhaltsanalyse. Ergebnisse sind ein deutlicher Visualisierungsschub, der Trend zur Magazinisierung und eine neue multimodale Organisation des Leseraums. Theoretische und empirische Befunde werden zu einer Prognose zusammengeführt, die für das Layout der gedruckten Zeitung vergleichsweise marginale Veränderungen erwarten lässt, während ein größeres „Wandelpotential“ im Zusammenspiel von Print- und Onlineausgaben gesehen wird.
Diese Interdependenzen belegt die Bestandsaufnahme der aktuellen Trends im Zeitungsdesign Print und Online auf der Grundlage der Methoden ReaderScan, LeseWert und Blickaufzeichnung der Leseforschung von Norbert Küpper. Mit dem Blick auf die praktische Umsetzung, die jährlich die besten Beispiele mit dem European Newspaper Award auszeichnet, erfasst Küpper die inhaltlichen und gestalterischen Tendenzen der gedruckten Zeitung in ihrem Wechselspiel mit Online-Angeboten. Individualisierung, Exklusivität und journalistische Qualität sind entscheidende Argumente, die – wenn als „Grundproblem“ die Finanzierung gelöst ist – auch junge LeserInnen zur Rezeption von Zeitungsinhalten motivieren können.
Wie sich traditionelle Nachrichtenmedien auf einer visuellen Online-Plattform präsentieren, untersucht Sarah Müller am Beispiel ausgewählter Nachrichtenmedien auf Instagram. Ihre quantitative Bildinhalts- und Bildtypenanalyse der Feeds von Tagesschau, Bild.de, RTL Aktuell und Spiegel Online aus den Jahren 2016/17 zeigt Visualisierungsstrategien, welche sich in unterschiedlichem Maß an die kanalspezifischen Konventionen anpassen, dabei jedoch die jeweiligen individuellen Berichterstattungsmuster weitgehend beibehalten. Der erwartete Trend zu einer „positiven“ Ausrichtung der Nachrichten oder einer besonderen Bildästhetik bestätigte sich – außer für Spiegel Online – nicht.
Abschließend stellen Jakob Henke, Elena Link und Wiebke Möhring angesichts der zunehmenden Relevanz von Datenvisualisierungen in der journalistischen Arbeit die Frage Lohnt sich der Aufwand? Sie analysieren die Wirkung interaktiver im Verhältnis zu statischen Grafiken aus der Perspektive der LeserInnen mit einem einfaktoriellen Eye-Tracking-Experiment. Ihre Ergebnisse mit einer studentischen Untersuchungsgruppe legen nahe, dass das Potential interaktiver Elemente überschätzt wird. Diese tragen weder zu einer intensiveren Rezeption und Informationsverarbeitung bei, noch steigern sie das inhaltliche Leseerleben oder die Erinnerungsleistung im Vergleich zu einer statischen Grafik.