Susanne Kinnebrock: Kommunikationsgeschichte und Geschlecht Perspektivische Implikationen der Frauen- und Geschlechtergeschichte für die historische Kommunikationsforschung

Einleitung: Die Kommunikationsgeschichte befindet sich an der Schnittstelle zwischen Kommunikationswissenschaft und Geschichtswissenschaft. Und so ist es nur logisch, dass sie perspektivische und methodische Entwicklungen beider Disziplinen reflektiert. Mit Blick auf die (deutschsprachige) Geschichtswissenschaft sind deren zentrale Entwicklungen – die Hinwendung zur Sozial-, Alltags- und Kulturgeschichte – auch von historisch arbeitenden Kommunikationswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen (kritisch) verfolgt worden (vgl. exemplarisch die Ausführungen von Koszyk, 1989; Hickethier, 1998).

Zu einer Integration von frauen- und geschlechtergeschichtlichen Perspektiven ist es hingegen selten gekommen. Dies mag zum einen daran liegen, dass die Frauen- und Geschlechtergeschichte in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft ungleich schlechter etabliert ist als beispielsweise im angelsächsischen Raum (vgl. Opitz, 2005). Einen Mainstreamcharakter wie die Sozialgeschichte und zusehends auch die Kulturgeschichte konnte sie hier (bislang) nicht entwickeln (vgl. z.B. Giesebner, 2005). Und dies könnte ein Grund dafür sein, dass frauen- und geschlechtergeschichtliche Perspektivierungen von deutschsprachigen Kommunikationshistorikern und -historikerinnen bislang nur selten aufgegriffen wurden (vgl. dazu Klaus, 2005).

Dies ist insofern bedauerlich, als es sich bei der Geschlechtergeschichte um einen der dynamischsten und theoretisch avanciertesten historischen Forschungszweige handelt (u.a. Opitz, 2002; Hunt, 2005). Die konzeptionellen und methodologischen Fragen, die die Geschlechtergeschichte international angestoßen hat, könnten meines Erachtens auch für die Kommunikationsgeschichte anregend sein. Deshalb möchte ich hier perspektivische Neuorientierungen, die die verschiedenen Ansätze der historischen Gender Studies nahelegen, resümieren, reflektieren und am Beispiel der Entwicklung des Journalismus als Beruf greifbar machen. Dabei werde ich in zwei Schritten vorgehen. Im ersten Teil will ich die neuen Perspektiven vorstellen, die die Frauen- und Geschlechtergeschichte in die Geschichtswissenschaft eingebracht hat. Dabei werde ich im Wesentlichen chronologisch vorgehen, d.h. ich will mich zunächst den Perspektiven der sog. Frauengeschichte widmen und darlegen, warum und wie sie sich zur Geschlechtergeschichte transformierte. Natürlich kann die Entwicklung eines ganzen Forschungszweiges, die sich über mehr als 30 Jahre erstreckt, in diesem Rahmen nur äußerst kursorisch dargestellt werden.

Deshalb werde ich hier auf die unterschiedlichen perspektivischen Schwerpunktsetzungen, die sich in verschiedenen Ländern ergeben haben, nicht eingehen, sondern der kompakten Darstellung halber die Debatten der US-amerikanischen und deutschsprachigen Forschung synthetisieren.

In einem zweiten Schritt werde ich dann die extrahierten historischen Gender-Perspektiven auf ein zentrales, aber nach wie vor vergleichsweise wenig beforschtes kommunikationshistorisches Arbeitsfeld, die Entwicklung des Journalismus als Beruf, übertragen. Dabei soll exemplarisch herausgearbeitet werden, welche konkreten Fragestellungen die verschiedenen Perspektiven der Frauen- und Geschlechtergeschichte nahelegen würden. …