Katrin Kühnert: AutorInnen-Autorität und literarische Tabubrüche im Holocaust-Diskurs

Fiktive Zeugnisliteratur aus TäterInnenperspektive als Herausforderung für die deutschsprachige Rezeption

Künstlerischen Bearbeitungen des Holocaust wird mit einem komplexen Erwartungshorizont
begegnet und Abweichungen bergen hohes Skandalpotenzial. Die thematische Analyse der
feuilletonistischen und literaturwissenschaftlichen Rezeption von Holocaust-Texten, die als
Tabubruch wahrgenommen werden, lässt die ungeschriebenen Regeln dieses Diskurses verstärkt hervortreten. Der AutorInnen-Instanz kommt in der Bewertung bedeutendes Gewicht zu und das Überleben des NS-Massenmords als (jüdisches) Opfer bietet hierbei die größtmögliche Legitimation. Für diesen Beitrag werden zeitlich gestaffelt, drei fiktive Zeugnistexte aus TäterInnenperspektive analysiert, deren Autoren in unterschiedlicher Verbindung zur NS-Zeit stehen. Der Fokus liegt auf der Aufnahme im deutschen Sprachraum, wo sich im internationalen Vergleich ein sensibilisierter Umgang offenbart. Die Untersuchung von Jorge Luis Borges’ Deutsches Requiem (1946), Edgar Hilsenraths Der Nazi & der Friseur (1971) und Jonathan Littells Die Wohlgesinnten (2006) basiert auf der neueren Rezeptionsforschung und der pragmatischen Texttheorie und zeigt die dominierende Forderung nach Authentizität im Holocaust-Diskurs.