Jürgen Wilke: Die Diagnose gilt noch Die Befunde zur Rundfrage von 1987 sind nach wie vor aktuell. Ein Beitrag zur Rundfrage "Neue Positionen zur Kommunikationsgeschichte"

Einleitung: Eingeklemmt zwischen den Lehrveranstaltungen eines zu Ende gehenden Semesters, den Aufgaben als geschäftsführender Leiter eines großen Universitätsinstiutes und einer abzuarbeitenden Liste bereits längst (über-)fälliger Manuskripte, ist es mir nicht möglich, in der zur Verfügung stehenden Zeit eine ausführliche Antwort auf die Rundfrage abzugeben, auch wenn nur fünf bis zehn Seiten erbeten wurden. Zudem ist meine Empfindung in bezug auf die Rundfrage zwiespältig. Zum einen finde ich die Initiative verdienstvoll und dankenswert, weil sie darauf insistiert, sich über Fortschritte in der Kommunikationsgeschichte klar zu werden und Rechenschaft zu geben. Andererseits liegt die letzte, von medien & zeit in Heft 3/1987 publizierte Rundfrage kaum ganze fünf Jahre zurück. 1st dies Zeit genug, um zu einer Diagnose zu gelangen, die sich von der des Jahres 1987 unterscheidet?

Ehrlich gesagt, ich glaube nein. Meine damaligen Feststellungen und die der Kollegen, die ich großenteils teile, scheinen mir noch immer zutreffend. Grundlegend hat sich nicht viel verändert, aber das war auch nicht zu erwarten. Meine Vermutung, daß zahlreiche der Beiträger zu der Wiener Tagung und dem Sammelband Wege zur Kommunikationsgeschichte nur einen einmaligen „Ausflug“ in dieses Gebiet gemacht hatten, hat nicht getrogen. Der Kreis derer, die sich laufend mit kommunikationsgcschichtlichen Themen befassen, ist nach wie vor klein, zumindest in Deutschland. In Österreich ist dies wohl etwas anders, wie man gerade an Medien & Zeit ablesen kann. Auch die kollektiven Bemühungen sind, von den bereits damals bekannten abgesehen, nicht vorangekommen. Einen Rahmen könnte jetzt vielleicht die Sektion Kommunikationsge- schichtc innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) sein. Aber auch dort tut man sich schwer, wie die Diskussion bei der letzten Jahrestagung 1991 in Bamberg 1991 gezeigt hat.

Natürlich sind in den letzten Jahren eine Reihe interessanter medien- und kommunikationsgeschichtlicher Untersuchungen erschienen, auch wieder in angrenzenden Fächern. So weit ich sehe, fügen sie sich aber noch nicht in einer Weise zusammen, daß man von „neuen Positionen“ sprechen könnte. Nach wie vor fehlt der Versuch einer zumindest vorläufigen Synthese.

Meine zwiespältige Empfindung in bezug auf die Rundfrage rührt aber noch aus etwas anderem: Und zwar möchte ich die Zahl diagnostizierender und postulierender Beiträge zur Medien- und Kommunikationsgeschichte nicht weiter vermehren. Wichtiger erscheint mir und die Zeit lohnender, wirklich Medien- und Kommunikationsgeschichte zu betreiben. Ich habe dies auch in den letzten fünf Jahren getan, ohne mich auf diesen Bereich zu beschränken. Denn andere kommunikationswissenschaftliche Themen interessieren und beschäftigen mich auch. Ist es daher erlaubt, auf die Rundfrage statt mit einer Stellungnahme mit einer persönlichen Bibliographie jener eigenen Schriften aus den vergangenen fünf Jahren zu antworten, die in den Umkreis der Medien- und Kommunikationsgeschichte gehören? Dies kennzeichnet vielleicht besser als irgendein grundsätzliches Statement, worin der eigene Beitrag zu diesem Arbeitsgebiet besteht. Das Spektrum der Arbeiten reicht von der Geschichte der Kommunikationswissenschaft über eine Positionsbestimmung hin zu einer Reihe von Einzelstudien. Sie haben zum Teil konventionell-biographischen Charakter, sind überwiegend aber bestimmt von der Absicht, historische und theoretische Fragestellungen zusammenzuführen. Dies gilt insbesondere für den Versuch, Geschichte als Kommunikationsereignis zu beschreiben. …