Will Schaber: Die Exilzeitung „Aufbau“ und der emigrierte Zeichner Benedikt Fred Dolbin Rede zur Eröffnung einer Ausstellung

Einleitung: Was Sie hier in einer gedrängten Schau sehen, ist mehr als eine Fußnote zur Geschichte des Journalismus. Es sind Zeugnisse einer außergewöhnlichen Zeitung und eines genialen Zeichners. Die Zeitung ist der von Emigranten 1934 in New York gegründete Aufbau, der Zeichner ein gebürtiger Wiener, der 1971 verstorbene Benedikt Fred Dolbin.

Der Aufbau ist also heute 54 Jahre alt: ein im Zeitungswesen als Gesamtheit kein ungewöhnlicher Rekord (die Londoner Times ist über zweihundert Jahre alt). Aber für eine Emigrantenzeitung sind 54 Jahre eine Lebensspanne, die keine Paralelle hat.

Die meisten Blätter in der Geschichte der Exilpresse verschwanden ebenso plötzlich wie sie aufgetaucht waren. Der Vormärz war voll solcher journalistischer Eintagsfliegen, von Ludwig Börnes Balance in Paris bis zu den Blättern Wilhelm Weitlings in der Schweiz. Alexander Herzens Wochenblatt Kolokol (Die Glocke), das eine beträchtliche Rolle in der Bauernbefreiung Rußlands spielte, brachte es immerhin auf 10 Jahre.

In den Jahren der Hitleremigration gab es eine Flut von Exilperiodika — die Historikerin Lieselotte Maas fand insgesamt mehr als 400. Die Lebensdauer der Blätter war unterschiedlich. Viele verschwanden nach wenigen Ausgaben. Andere hielten sich Jahre hindurch. Das Pariser Tageblatt und sein Nachfolgeorgan, die Pariser Tageszeitung, erschienen zusammen — ebenso Die Neue Weltbühne — etwas über sechs, Das Neue Tage-Buch rund sieben Jahre. Die bereits 1932 gegründete, in der Folge jedoch von Emigranten gesteuerte Neue Volkszeitung in New York wurde nicht ganz siebzehn Jahre alt.

Der Aufbau übertrumpfte sie alle.
Wie ist dieses Phänomen zu erklären?…