Irene Neverla: Frauen und Öffentlichkeit Einladung zur zeitgeschichtlichen und historischen Frauenforschung

Einleitung
Das Thema ist und bleibt ein Dauerbrenner: Frauen und Medien. Manchmal schon auch öde, wenn wir zum wiederholten Male durchdekliniert bekommen, was es an Ungleichheiten und Benachteiligungen im Bereich journalistischer Tätigkeiten und was es an alten und neuen Klischees bei der Darstellung von Geschlechterrollen zu lesen, sehen, hören gibt. Dabei mag gelegentlich auch das wissenschaftliche Niveau anspruchslos sein, doch dieses wird immer über- bzw. untertroffen von den Verhältnissen selbst, die sich so endlos träge nur ändern wollen, daß sie weiterhin Anlaß geben zu einfachen Defizitanalysen. Spannend wird es und bleibt es mit Sicherheit, wenn wir den Themenkreis ausweiten: Frauen und Öffentlichkeit.

Kein Ort. Nirgends.
(Christa Wolf)

Mag als ikonographische Umschreibung für den Ausschluß der Frauen aus der Öffentlichkeitsphäre dienen. Es gibt keinen Ort, den die Frauen ihren Ort nennen könnten. Selbst die Familie, die Reproduktionssphäre, ist ein Ort, wo Frauen wohl verwurzelt, aber doch für andere tätig sind. Das Bild gilt zum heutigen Zeitpunkt auch für den Stand der Frauenforschung in der Kommunikationswissenschaft. Einzelne Forschungsfragen haben sich aufgedrängt und sind teilweise auch empirisch untersucht worden. Doch wenn sich etwa historische und zeitgeschichtliche Kommunikationsforschung auf eine systematische, ganzheitliche Suche nach den weiblichen Elementen in einer Kommunikationskultur begibt, betritt sie Neuland.

Dabei sind Fragestellungen und Material in solcher Fülle vorhanden, daß sie ein umfangreiches Forschungsprogramm ergeben würden – dessen gesellschaftliche Relevanz erheblich wäre, reflektiert doch die Stellung der Frau in der bzw. zur Öffentlichkeit gleichermaßen ihren gesamten Status in der Gesellschaft, wie sie umgekehrt ein Licht wirft auf den Entwicklungsstand einer Gesellschaft.

Öffentlichkeit als Gegenstand der Frauenforschung muß interdisziplinär behandelt werden. Aus vielen Bereichen der Geschichts- und Kulturwissenschaften, der Sprach- und Sozialwissenschaften und der Psychologie sind hier Erkenntnisse zusammenzutragen. Nur einige Perspektiven und Fragestellungen davon werde ich im folgenden streifen. …